Riedenburg
"Wir leben für die Vögel"

Füttern, wiegen, trainieren: Hinter den Flugvorführungen auf dem Falkenhof steckt viel Arbeit

15.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:25 Uhr
In der Falkenmeisterei bereitet Uli Neurauther Lannerfalke Ozzy für die Vorführung vor, dahinter hängen Lederhauben parat - für jeden Vogel eine eigene. −Foto: Annika Schneider

Riedenburg (DK) Es ist gefährlich wenig Platz zwischen dem scharfen Vogelschnabel und der Nase von Jan Balko. Konzentriert balanciert der Falkner die Vogeldame Elwe auf seinem Arm. Das Lannerfalkenweibchen spreizt sein prächtiges Gefieder, noch verwirrt von der Lederhaube, die Balko ihr gerade über den Kopf gestülpt hat. Blitzschnell packt er mit seinen Zähnen die Schnur von der Vogelhaube und zieht sie fest. Unter dem Dunkel der Haube ist für Elwe jetzt Nacht – und sie ist bereit zum Wiegen.

Zweimal täglich, an sechs Tagen der Woche, präsentiert der Falkenhof auf der Riedenburger Rosenburg seine weithin bekannte Greifvogelschau. 25 Vögel hält Falkner Gunter Hafner dafür parat. Wie viel Arbeit das für ihn und seine drei Kollegen bedeutet, sieht nur, wer schon vor der Flugvorführung kommt.

Um 10 Uhr ist es noch ruhig auf der Rosenburg. Im Burghof schmiegen sich die Holzunterstände der Vögel an die efeubewachsene Mauer. Neun Adler sitzen gelassen in der Sonne. Ab und zu dreht sich einer um, damit auch der dichtgefiederte Rücken beschienen wird. Am Geländer der Flugwiese lehnt Gunter Hafner, wettergegerbte Haut, langer Pferdeschwanz. Einer seiner Mitarbeiter fischt mit einem Rechen Blätter aus dem kleinen Wasserbecken, aus dem einige der Vögel später im Flug einen Köder erjagen werden. „Ost- oder Westwind“, ruft Hafner hinüber. „Ostwind“ kommt wenig später die Antwort. Der Falkenhofchef nickt zufrieden: Zu wissen, woher der Wind kommt, ist wichtig, um das Flugverhalten der Vögel abschätzen zu können.

In einer Ecke des Burghofs kreischt ein hübscher Vogel mit schwarz und weiß gemusterten Flügeln. „Der kann es wohl kaum erwarten“, sagt Hafner schmunzelnd. Amour, ein Riesenseeadler, ist erst eineinhalb Jahre alt und noch im Training. Nächste Woche soll er in den Vormittagsshows dabei sein.

Hafner, seit 23 Jahren hauptberuflicher Falkner, kennt jeden seiner Vögel beim Namen, die vertretenen Arten rattert er in Blitztempo herunter ohne Luft zu holen. Auch ihre Charaktere kennt er, ob extrovertiert oder introvertiert, stoisch oder neugierig. „Wir leben für die Vögel“, sagt Hafner schlicht. Zwei der Falkner wohnen auf der Burg und sind auch nachts da, falls mit den Vögeln etwas ist.

Im hinteren Burghof, hinter der Tür mit dem roten Schild „Falkenmeisterei“, sind Hafners Kollegen schon bei der morgendlichen Routine. Uli Neurauther, ebenfalls mit Pferdeschwanz, betritt den kleinen Raum mit einem Wüstenbussard auf dem Arm. Das Glöckchen am Fuß bimmelt leise, als der Greifvogel von selbst auf die große Waage in der Raummitte flattert. „Die kennen das schon“, sagt Neurauther. Jeder Vogel muss jeden Morgen auf die mit Kork dick gepolsterte Waage – auf diese Weise sehen die Falkner sofort, wenn mit ihren Schützlingen etwas nicht stimmt. 648 Gramm zeigt die Digitalanzeige diesmal. Neurauther nickt zufrieden und notiert das Ergebnis.

„Man sieht sofort, ob einer gut geschlafen hat oder gerade Stress hat“, sagt Hafner. Jeden Morgen achten die Falkner auf Mimik, Lidschlag und Körperhaltung der Tiere. Erst kurz vor der Vorführung entscheidet Hafner, welche Vögel fliegen. Für alle anderen steht mittags ein Trainingsprogramm an. Denn Bewegung brauchen alle Vögel, sonst werden sie trübsinnig.

In der Falkenmeisterei sitzt Miroslav Rajcek derweil vor einem Batteriemessgerät. Vor ihm liegt ein Stapel länglicher Metallsender, deren Batterien er einzeln prüft. Bei der Schau sind die kleineren Vögel mit einem solchen Sender ausgestattet, falls sie verloren gehen. So können die Falkner sie im Zweifelsfall orten. Hunderte Federn stecken hinter Rajcek in einem Regal, bunt gemustert, sortiert nach Größen. Sollte einem der Greifvögel eine Feder abbrechen, kann das Gefieder mit einer eigenen Feder ausgebessert werden – bis der Vogel bei der nächsten Mauser ein neues Federkleid bekommt. An der Wand hängt das Zubehör, das die Falkner für ihre Arbeit brauchen, es hat sich seit Hunderten von Jahren nicht verändert. Am wichtigsten sind die Taschen mit Futter und die wuchtigen Lederhandschuhe, auf denen die Vögel getragen werden können.

Und noch etwas ist wichtig: Dutzende winzige Lederhauben in verschiedenen Formen und Farben hängen an einem Holzbrett an der Wand, versehen mit kleinen Namensschildern: Rocky, Ozzy, Gräfin, Enzo. Jeder Vogel hat seine eigene Haube, die ihm wie angegossen passt. „Das ist wie ein Schuh“, erklärt Uli Neurauther. Die Haube muss nicht nur gut angepasst, sondern vor allem eingetragen werden, bis sie perfekt sitzt.

Auf dem Burghof versammeln sich inzwischen die ersten Familien rund um die Flugwiese. Kurz vor der Aufführung überprüfen die Falkner die Umgebung. Zwei Kinderwagen müssen aus der Einflugsschneise geschoben, eine Butterbrotdose eingepackt werden: Nichts soll die Vögel erschrecken oder ablenken. „Den musst du wegpacken“, sagt Hafner zu einem kleinen Jungen mit Lodenhut, der mit einem großen Stoffhasen in der Hand in den Hof kommt. Zu groß ist das Risiko, dass ein Greifvogel sich das Stofftier als Beute schnappt.

Erst wenn alle Störfaktoren beseitigt sind, ist Showtime. Per Funkmikrofon kommentiert Hafner die Vorführung, während die Vögel Beuteattrappen jagen, Runden über dem Tal drehen oder dicht über die Köpfe der Zuschauer streichen. Die Kinder juchzen entzückt, die Erwachsenen nicken anerkennend.

Die Greifvögel sind keine Zirkustiere in Gefangenschaft, sondern bleiben freiwillig auf dem Falkenhof. „Wir bieten ihnen jeden Tag die Freiheit an“, sagt Hafner. Doch der Luxus eines trockenen Plätzchens, von frischem Trinkwasser in nächster Nähe und nicht zuletzt Futter sei für die Vögel bequem. Er lächelt. „Sie kommen immer wieder gern zu uns zurück.“